Jüdischer Friedhof Potsdam

Vorschaubild Jüdischer Friedhof Potsdam

Der jüdische Friedhof an der Puschkinallee 18 wurde 1743 am Südhang des Eichberges angelegt, welcher hinfort Judenberg genannt und Anfang des 19. Jahr­hunderts in Pfingstberg umgetauft wurde. Heute liegt der Friedhof am Fußweg zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche von Alexandrowka und dem Belve­dere mit dem Pomonatempel.

 

Das Areal ermöglicht den Blick auf verschiedene Entwicklungsstadien jüdischen Lebens in der Residenz-, Garnisons-, Bezirks- und Landeshauptstadt. Selten kann so deutlich wie hier der Besucher die  Anpassung  traditioneller jüdischer Bestattungskultur an den Zeitgeschmack der christlich geprägten Bevölkerungsmehrheit nachvollziehen. Die Folgen des Ringens um bürgerliche Gleichstellung, der Assimilation und Reformbewegung sind optisch nicht zu übersehen. Vom traditionell schlichten Sandstein des 18. Jahrhunderts gleitet der Blick über die dominanten Granitobelisken des 19. Jahrhunderts bis zu den Wandgrabstatten einflussreicher Familien des 20. Jahrhunderts.

 

Neben Rabbinern und Kantoren gab es Beisetzungen von Manufakturunternehmern, Bankiers, Vertretern des Mittelstandes, Stadt-, Justiz- und Medizinalraten, Soldaten und Offizieren, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Kindergräber und Hinweise auf die Opfer der Shoa sind ebenfalls zu finden. Letzteren wurde 2001 ein privat gestifteter, besonderer Gedenkstein gewidmet. Zusammen mit rund 130 Namen, an die sich der Stifter persönlich erinnerte, ist zu lesen: Zum Gedenken an die entehrten, deportierten und ermordeten sowie ihrer Heimat beraubten Juden aus der Stadt Potsdam und Umgebung.

 

Eine 1801 errichtete einfache Leichenhalle musste 1856 einem Ersatzbau weichen. Nach einer Flächenerweiterung 1874 entstand 1910 die heutige Trauerhalle und das kleine Wohnhaus für den Friedhofsgärtner. Den Architekten Bornstein und Kopp gelang ein ebenso schlichtes wie eindrucksvolles Äußeres für den vorbestimmten Zweck des Bauwerkes. In der Pogromnacht 1938 schwer beschädigt, verwahrlosten die Gebäude in den folgenden Jahrzehnten stark.

Metallgitter und Metallteile der Gräber wurden im Zweiten Weltkrieg »entschrottet«. Um 1942 setzte man die letzten Grabsteine, danach unterblieb jegliche Markierung. Im April 1944 unterzeichnete die Stadtgemeinde einen Kaufvertrag, jedoch wurde weder der Kaufpreis von 10.000,- RM gezahlt, noch erfolgte die Grundbucheintragung. Nach Kriegsende bewirtschaftete die städtische Friedhofsverwaltung, der spätere volkseigene Betrieb VEB Grünanlagen und Bestattungswesen, das Gelände stiefmütterlich. Das Wohnhaus wurde zur »Bereitschaftsdienstwohnung«,die Trauerhalle diente als Lager für Parkbänke, Kohlen, Holz und Sarge der Zivilschutzreserve sowie als privater Keller und Garage. Mitte der achtziger Jahre war das Gebäude so marode, dass schon der Abriss geplant war.

 

Die Überfälligen, plötzlich staatlicherseits gewünschten Aufräumungs- und Reparaturarbeiten erfolgten 1988 durch fachkundige Mitglieder der FDJ, Lehrlinge aus dem Gartenbau und dem Baukombinat. 1989 wurde weiterer Wildwuchs gerodet. Im gleichen Jahr fand man zwei Grabsteine mutwillig beschä­digt. Unter fachlicher Leitung durch das neue Amt für Denkmalpflege begann 1990 ein mehrjähriges Sanierungsprogramm mit der sorgfaltigen Vermessung des Bestandes unter anderem an 532 Grabmälern. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch das älteste Gräberfeld durch eine Magisterarbeit dokumentiert. Bei Pflegearbeiten halfen drei internationale Workcamps. Die Hauptarbeit lag aber in den Händen von Spezialisten und Fachbetrieben der Denkmalpflege. Mit Einsatz von über 2,5 Millionen DM aus Landesmitteln konnte das seit 1977 denkmalgeschützte Ensemble wiederhergestellt werden. Neben vielfältigen konservatorischen Arbeiten wurde auch die marode Friedhofsmauer ersetzt. Weitsichtig war die Entscheidung zur Wiederherstellung der Trauerhalle mit ihrer monumentalen Fassade auch in funktioneller Hinsicht. Ihre offizielle Einweihung erfolgte am 30. Juni 1995. Damit hat die Landeshauptstadt den einzigen voll funktionstüchtigen jüdischen Friedhof für das Land Brandenburg.

 

Potsdam ist somit der einzige Platz, auf dem Beisetzungen nach dem Religionsgesetz, der Halacha, in Wurde und ohne Provisorien stattfinden können. Über 90 Mitglieder der ab 1991 neu gegründeten Jüdischen Gemeinden im Land Brandenburg haben hier seit 1992 ihre Ruhestätte gefunden. Der mittels »gemeinnütziger Arbeit« und Pflegekostenpauschale gut gepflegte Ort findet Anerkennung bei Besuchern aus nah und fern. Häufig kommen Schuler und Touristengruppen zu angemeldeten Führungen. Durch das individuelle Antworten auf die gestellten Fragen können verbreitete Unkenntnis überwunden und Vorurteile abgebaut werden.

 

Eine neue Qualität in der Offensive rechter Gewalttaterzeigte sich im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf die Trauerhalle am 8. Januar 2001. Zur Tat bekannte sich »die nationale Bewegung«, die mit einer ganzen Serie von strafbaren Handlungen in und um Potsdam bereits auf sich aufmerksam gemacht hatte. Weder die für den hohen Sachschaden verantwortlichen Straftäter, noch deren Hintermänner sind ermittelt oder bestraft worden. Deutschlandweite politische Reaktionen gegen rechte Gewalt, vielgestaltige Initiativen in der Kulturszene und Jugendarbeit, energische staatliche Maßnahmen von der politischen Bildung bis zu den präventiven polizeilichen Fahndungs-, Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen zeigen aber hoffentlich Wirkungen.

 

(Dr.sc.jur. Wolfgang Weißleder „Der Gute Ort")

 

 

 

Führungen bitte mit der Jüdischen Gemeinde Stadt Potsdam telefonisch vereinbaren    

 (0331) 2311140

 

Männliche Personen

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eine Kopfbedeckung

Puschkinallee 18
14469 Potsdam

(0331) 24365511 Feliks Berul - Aufseher des Friedhofes
(01212) 563870416
(0163) 3981883

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Öffnungszeiten:
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01.05 - 30.09: 10.00 - 16.00 Uhr